29. Oktober 2011, Muskox Farm
30. October 2011
Nachdem ich am Donnerstag festgestellt hab, dass ja morgen schon Freitag ist, ich aber noch keinerlei Energie gesammelt hab um schon wieder auf große Fahrt zu gehen, habe ich mich für ein etwas ruhigeres Wochenende entschieden. Mit dem Fahrrad ließen sich ja noch ein paar kleinere Ausflüge unternehmen.
Mittlerweile halten wir die -10°C auch tagsüber, und diese Nacht sollen wir angeblich die 0°F-Grenze knacken, also -18°C. Dementsprechend warm hab ich mich angezogen und etwas in die Trickkiste gegriffen, um den Fahrtwind auf dem Fahrrad im Gesicht zu überstehen. Erstaunlich, was so eine dünne Schicht Vaseline bewirkt. Meine Hände sind warm geblieben, dafür waren meine Füße am Ende des Tages trotz -40°-Stiefel kalt. Genauso wie meine Oberschenkel und mein Hintern, ich wette, ich hätte Eiswürfel damit herstellen können. Falls jemand ein gutes Rezept dagegen hat, immer her damit.
Nun aber zum Ausflug. Die Moschusochsenfarm (Muskox klingt viel cooler, ab sofort kehr ich zur Muskox Farm zurück) ist mit dem Fahrrad etwa eine halbe Stunde von mir entfernt und heißt eigentlich Robert G. White Large Animal Research Station. Neben Moschusochsen werden dort noch Rentiere gehalten und erforscht. Wie so vieles hier ist die Farm ab September geschlossen. Aber man darf gern kommen und die Tiere vom Parkplatz aus betrachten. Ein Fernglas ist empfehlenswert. – Das mit dem Parkplatz haben tatsächlich mehrere Leute gemacht, während ich da war. Sind auf den Parkplatz gefahren, standen dann dort für vielleicht zehn Minuten mit laufendem Motor, und sind wieder gefahren.
Schild an der Einfahrt zum Parkplatz.
Blick über die Farm. Die schwarzen Punkte, die sich hinten am Hang sonnen, sind Muskoxen, Moschusochsen. Einmal um den Komplex gelaufen, und ich bin noch ein wenig näher an die Tiere herangekommen. Zum Glück, denn ohne Fernglas konnte man in der Entfernung wirklich nix erkennen.
Meine schlaue Kamera ließ sich partout nicht überreden, das Gitter zu ignorieren und lieber auf die Rentiere da zu fokussieren. Und näher rangehen und durch die Maschen fotografieren ging auch nicht – ich stehe nämlich schon direkt an einem Maschendrahtzaun zwei Meter vor dem fotografierten und schaue durch die Maschen. Der Pfad zwischen den Zäunen ist vermutlich für die Sommerbesucher, er verläuft auch einmal quer durch die Farm und direkt an den sich sonnenden Ochsen vorbei. Nun ja, Rentiere sind auch nicht so spannend, die kenn ich schon aus verschiedenen schwedischen Zoos. Wobei die hier etwas anders aussehen, etwas größer und dunkler, und ihre Schnauze ist… rehiger. Vielleicht ist es auch nur Einbildung; die alaskischen Rentiere wurden schließlich irgendwann in der Vergangenheit mal aus Skandinavien als Lasttiere eingeführt. Übrigens gibt es doch einen Unterschied zwischen Reindeers und Caribou: Reindeers sind die domestizierte Variante, Caribou sind die wilden Ureinwohner. Die Schweden kennen diese Unterscheidung nicht, für die sind alles Rentiere. Auffällig ist, dass alle Vertreter Geweihe tragen, auch die Weibchen.
Die Hauptattraktion. Ein Moschusochse, juchhu. Sehr interessante Viecher. Können mit Ihrem Winterunterfell (Qiviut) Temperaturen bis -40°C aushalten, auch bei Wind. Fressen sich im Sommer dick und rund, und kommen dann mit ungefähr einem Drittel der Nahrung täglich über den Winter. Halten sich im Winter gerne auf Gebirgskämmen auf, da bläst der Wind so schön durchs Fell. Nein, der wahre Grund ist, dass da weniger Schnee liegt und man (der Moschusochse) besser an die spärliche Vegetation herankommt. Seeehr bedächtige Tiere, laufen im ganzen Winter wohl nur wenige Meilen. Mit dem Monstrum an Fell aber auch kein Wunder. Schön fand ich die Strategie bei Annäherung von Feinden: Alle Muskokesen laufen auf einen Haufen, bilden einen Kreis mit “Kälbern und weniger geschützetem Hinterteil nach innen”. Und bieten dann dem Feind die Stirn. Richtig ausgeführt ist das für so manchen Fressfeind das letzte, was er versucht. Diese Strategie erklärt auch die äußerst seltsame Form der Hörner: auf der Stirn bilden sie erst eine Platte, bevor sie zu den Seiten schmaler werden und sich wie ein richtiges Horn kringeln. Insgesamt sehr seltsam aussehende Tiere, aber welches ist das nicht.
Ich hab vorhin noch ein nettes pdf über Muskoxen gefunden, von der UAF geschrieben. Ich gebe zu, dass ich mir fast ausschließlich die Bilder angeguckt hab, aber die sind auch ganz gut gelungen. In dem Text geht es eher um das Moschusochsenfell, also noch eine Ausrede mehr, sich das nicht durchzulesen 0:) Aber die Bilder sind wirklich sehenswert, vor allem die von süßen kleinen Moschusöchschen (das Wort nun wieder ist cooler als muskox yearling). Mein Liebslingsbild ist auf Seite 2.
Wie Fell sah auch dieses Gebilde aus:
Waren aber ‘nur’ Eiskristalle. Scheint, als wüchsen die Kristalle immer größer, je kleiner das Quecksilber im Thermometer schrumpft. Die Kristalle unten sind etwa Originalgröße (auf meinem Bildschirm, Gesamthöhe so groß wie meine Hand):
Einen riesigen Vorteil hat die Kälte: die Handschuhe weichen nicht auf, wenn das Taschentuch unbrauchbar geworden ist. Allerdings wird das wiederum (zum Teil) unbrauchbar, weil es als Eisklumpen in der Tasche liegt. ^^
Auf dem Rückweg bin ich über die Farmers Loop Road gefahren, dadurch wuchs sich die Gesamtstrecke zu knapp 30 km aus. Klingt nicht viel? Ich will den sehen, der das über hügeliges Gelände bei ungeräumten Fahrradwegen macht. Mit dem Fahrrad:
Jaja, ich hör ja schon auf zu jammern, hab’s mir ja selber ausgesucht. *Note to self: Nicht mehr als 10 km Gesamtstrecke fahren, wird sonst schmerzhaft.*
Einen kleinen Abstecher über den Scenic Lp und den Grandview Ct (ich liebe die Straßennamen hier *g*) hab ich auch noch gemacht, die Sonne ging gerade so schön unter. Konnte ja nicht ahnen, dass sie das noch für fast anderthalb Stunden machen würde.
Was sieht man auf dem Bild? Fairbanks liegt hinter der ersten, dunklen Reihe von Bäumen. Dahinter folgt 80 km Ebene, dann ein kurzer Hügel im Dunst und dahinter dann der Alaska Range. Darüber sieht man eine orange-braune Smogglocke. Denn Fairbanks ist zwar kalt, hat aber sehr wenig Wind. Und im Winter häufiger ein Smog-Problem, eben weil der Wind fehlt und sich häufig eine Inversion ausbildet: Über der kalten Bodenluft befindet sich wärmere Luft, die verhindert, dass die kalte Luft aufsteigt, was sie aber ohnehin nicht will, weil sie ja kalt ist. Macht aber nix, der findige Alaskaner lässt den Motor öfter mal laufen und schon ist die Luft noch unbrauchbarer, aber auch wärmer. Benzinpreis liegt hier bei 3,96 USD/Gallone, ist billiger, als sich das Haus abzufackeln, weil man nicht verstanden hat, dass man einen Schornstein auch mal reinigen muss. Ok, jetzt werd ich gemein. Vielleicht haben manche der deutschen Vorschriften ja doch ihre Berechtigung. Auf jeden Fall habe ich beim Stöbern dieses nette kleine Heftchen des Daily Newsminer gefunden, der ersten Zeitung Fairbanks’, gegründet 1903. Darin erhält man ein paar Tipps für Auto, Haus und Haustier, damit alle drei den Winter überstehen. Und eine seitenlange Abhandlung darüber, wann der Winter beginnt, auf Seite 2 und 5. Meine Meinung? Sobald der erste Schnee liegen bleibt, natürlich!
Um auf den Smog zurück zu kommen: Bei schlechter Luft hat man wenigstens einen schönen Sonnenuntergang, wie hier zu sehen:
Gute Nacht!
“Falls jemand ein gutes Rezept dagegen hat, immer her damit.”
An den Ofen kuscheln, statt in der Kälte mit’m Fahrrad rumzufahren
“Ich will den sehen, der das über hügeliges Gelände bei ungeräumten Fahrradwegen macht.”
Angeberin
Dabei hättste das gar nicht nötig – ich find 30 km auch ohne Hügel und auf geräumten Strecken ne ordentliche Distanz.
“wärmere Luft, die verhindert, dass die kalte Luft aufsteigt, was sie aber ohnehin nicht will, weil sie ja kalt ist.”
*rotfl*
Das hier ist die Luft. Die kann nicht hoch. Macht aber nix, weil sie das gar nicht will. Ihr ist nämlich ganz schön kalt, deshalb bleibt sie lieber liegen. Klingt zwar komisch, ist aber so.
Und wie hilft mir der Ofen, wenn ich aber mit dem Fahrrad in der Kälte rumfahren will?